Bedeutung einer frühen Versorgung mit einer Orthese nach einem Schlaganfall
Ein Schlaganfall wird auch Apoplexie, Apoplex, Hirnschlag oder Stroke genannt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO erleiden jährlich rund 15 Millionen Menschen weltweit einen Schlaganfall. Da dieser meist regional in einer Gehirnhälfte auftritt, ist die Folge häufig eine Halbseitenlähmung, auch Hemiplegie oder Hemiparese genannt.
Schnell handeln schon in der Akutphase
Je schneller ein Schlaganfall erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Chance, langfristige Schäden zu vermeiden. Sind in der frühen Phase eines Schlaganfalls, der sogenannten Akutphase, kein sicheres Stehen und Gehen möglich, z. B. aufgrund einer Lähmung, ist eine frühzeitige Mobilisation mittels einer Orthese sinnvoll, um den Therapieverlauf möglichst positiv zu beeinflussen. Aktuell wird bei der Hilfsmittelversorgung in der Akutphase oft von der Versorgung mit einer Orthese abgesehen, da die Unterstützung, die die richtige Orthese beim Stehen bieten kann, unterschätzt wird. Eine Patientenbefundung mittels visueller oder instrumenteller Ganganalyse sowie die Beurteilung des Gangbilds kann erst erfolgen, wenn der Patient sicher genug für das Gehtraining ist. Somit erfolgt die Patientenbefundung häufig zu spät und die therapeutische Wirkung, die mit Hilfe der richtigen Orthese bereits während des Stehtrainings erzielt werden kann, wird verfehlt. Da das Gehtraining in vielen Fällen erst lange nach den ersten Stehübungen erfolgt, erhalten Patienten nach einem Schlaganfall mit einer Halbseitenlähmung die richtige Orthese häufig zu spät. Um diese Lücke zu schließen, haben wir einen Vorschlag entwickelt, wie eine Versorgung mit der richtigen Orthese bereits in das Stehtraining eingebunden werden kann.
Je nach Therapiestatus gibt es dabei drei Möglichkeiten der Patientenbefundung:
- In der Akutphase: Die frühe Mobilisierung noch während des Krankenhausaufenthalts sollte möglichst immer angestrebt werden.
- Für spätere Versorgungen: Eine Patientenbefundung mittels visueller oder instrumenteller Ganganalyse ist das Standardkonzept, wenn das sichere Stehen und Gehen bereits möglich ist.
- In Einzelfällen, z. B. bei stark ausgeprägten Verkürzungen (Kontrakturen) in Knöchel, Knie oder Hüfte: Durchführung der Patientenbefundung einschließlich einer Muskelstatusermittlung. In Kombination mit einer anderen Indikationsstellung, die eine Instabilität des Knies mit sich bringt, kann die Konfiguration einer KAFO erforderlich werden.
Der FIOR & GENTZ Orthesen-Konfigurator bietet für alle drei Fälle einen Konfigurationsweg an. Die Kreise oben links in den Bildern zeigen die geeignete Versorgung bei Auswahl des jeweiligen Konfigurationswegs.
Warum eine Orthese hilft
Sind durch einen Schlaganfall bestimmte neuronale Funktionen verloren gegangen, können diese von nicht geschädigten Bereichen des Gehirns übernommen werden. Dieser Vorgang, bei dem neue Nervenverbindungen hergestellt werden, nennt sich neuronale Plastizität. Auslöser dieses Prozesses ist das wiederholte Training der gestörten Funktionen, das so früh wie möglich nach dem Schlaganfall beginnen sollte. Insbesondere, wenn neuronale Funktionen gestört sind, die für die Balance und die Muskulatur beim sicheren Stehen und Gehen zuständig sind, muss sehr früh sowohl mit dem Steh-, als auch dem Gehtraining begonnen werden.
Stehtraining als Vorbereitung zum Gehtraining
Vor dem Gehen kommt das Stehen. Auch wenn das ruhige Stehen als eine simple motorische Aufgabe wahrgenommen wird, sind dabei dieselben Muskelgruppen wie beim Gehen beteiligt. Erfahren Sie dazu mehr im Bereich Lähmungen und Orthesen und zudem, wie sich eine Lähmung der Wadenmuskulatur (Plantarflexoren) auf das Stehen und Gehen auswirkt.
Dynamische Orthesen sind eine wertvolle Unterstützung für ein sicheres Stehen nach einem Schlaganfall und können das Auftreten von spastischen Paresen verhindern oder verringern. Auch wenn dem Patienten das Anlegen der Orthese selber nicht möglich ist, sollte das Stehtraining bereits in der Akutphase beginnen. Dieses frühe Stehtraining bietet folgende Vorteile:
- Die Wiedererlangung der Balance und des Gleichgewichtsgefühls wird gefördert.
- Die Aufrichtung (Vertikalisierung) hat eine Vielzahl positiver Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.
- Die kontrollierte Belastung der Muskeln verhindert das Schrumpfen (Atrophieren) dieser und kann die Zeit zur Wiedererlangung des unabhängigen Gehens verkürzen.
- Die Gefahr von Verkürzungen(Kontrakturen) in Knie und Hüfte durch Liegen oder kontinuierliches Sitzen im Rollstuhl wird verringert.
- Die Spitzfußprophylaxe wird unterstützt, da die Muskeln gedehnt und dynamisch belastet werden. Eine Orthese verhindert, dass der Fuß beim Liegen im Bett in einer permanenten Spitzfußhaltung verharrt.
Ohne Orthese kann das Training sowohl für den Therapeuten als auch den Patienten sehr aufwendig sein. Eine maßgefertigte Einstiegsorthese kann, sofern sie gleich von Beginn an entsprechend korrekt und mit dem richtigen Systemgelenk gebaut wurde, bereits in der Akutphase für das betroffene Bein hergestellt werden und nachträglich an das Gangbild angepasst werden. In Kombination mit einer anschließenden Physio-/Ergotherapie wird dem Patienten somit wieder Sicherheit und Selbstvertrauen beim Stehen und Gehen vermittelt. Leider werden die Wichtigkeit und das Potenzial der richtigen Orthese für den Therapieverlauf häufig unterschätzt oder gar nicht erkannt.
In den meisten Fällen ist es sinnvoll, den Patienten mit einer maßgefertigten Knöchel-Fuß-Orthese zu versorgen. Eine solche Orthese wird auch AFO genannt. Die Bezeichnung AFO (Englisch für ankle-foot orthosis) bezieht sich auf die in der Orthesenversorgung einbezogenen Körperteile Knöchel und Fuß.
Eine Orthese mit individuellen Funktionselementen wirkt auf verschiedenen Ebenen:
- Unterstützung der gelähmten Wadenmuskulatur (Plantarflexoren) für mehr Sicherheit beim Stehen und Gehen
- Unterstützung der gelähmten Muskulatur am Schienbein (Dorsalextensoren), um Stolpern zu vermeiden
- Unterstützung des Gleichgewichts dank Funktionselementen mit vorkomprimierten Federeinheiten
Mit diesen drei Funktionen trägt die Orthese dazu bei, die Muskulatur dahingehend zu unterstützen, dass die richtigen cerebralen Verknüpfungen durch motorische Impulse hergestellt werden. Eine cerebrale Verknüpfung ist das Steuerungsprogramm, welches das Gehirn abspeichert, um komplexe Bewegungsmuster ausführen zu können.
Konzept zur Versorgung mit einer Orthese bei Schlaganfall
„Ein Konzept zur orthetischen Versorgung der unteren Extremität nach einem Schlaganfall“, bietet unser Apoplexie-Handbuch. Es beinhaltet verschiedene orthetische Versorgungsvorschläge zu den unterschiedlichen Gangtypen nach einem Schlaganfall.
Grundlage zur Einteilung der Gangtypen ist die N.A.P. Gait Classification®. Diese wurde von Physiotherapeuten und Fachleuten aus der Orthopädietechnik und der Medizin entwickelt, um eine fachübergreifende Kommunikation und Therapiefindung zu erleichtern. Empfehlungen zur orthetischen Versorgung sowie die Wirkungsweise und der Unterschied zu bisherigen Versorgungsmöglichkeiten werden im Handbuch beschrieben.
Das Apoplexie-Handbuch können Sie hier kostenlos herunterladen. Auf Wunsch schicken wir Ihnen gerne eine Printausgabe zu. Wenden Sie sich diesbezüglich an unseren Verkauf im Innendienst unter info(at)fior-gentz.de oder +49 4131 24445-0.
Eine Übersicht über die verschiedenen Systemgelenke im Knie- und Knöchelbereich finden Sie hier. Die wichtigsten Funktionen des jeweiligen Systemgelenks werden in der dazugehörigen Produktbeschreibung erläutert.
In unseren Anwendergeschichten und -videos lernen Sie Patienten kennen, die bereits mit einer Orthese versorgt sind. Den Bereich zu Patienten mit Schlaganfall finden Sie hier.
Allgemeines zum Thema Schlaganfall
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall ist die Folge einer plötzlichen Durchblutungsstörung im Gehirn. Das Gehirn wird länger als 24 Stunden mit Blut und damit Sauerstoff unterversorgt, sodass Zellen absterben können. Betroffene Bereiche des Gehirns können ihre Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen.
Es gibt zwei wesentliche Arten von Schlaganfall:
Ischämischer Schlaganfall (häufigste Art des Schlaganfalles)
Minderdurchblutung und somit Unterversorgung eines Bereichs
Hämorrhagischer Infarkt/Insult
akute Hirnblutung, wodurch Bereiche unterversorgt werden, da das Blut in umliegendes Gewebe fließt
Was sind die Symptome für einen Schlaganfall?
Mit dem FAST-Test (engl. Face, Arms, Speech, Time) kann man einen Verdacht auf Schlaganfall schnell überprüfen.
F (Face/Gesicht) Kann die Person lächeln, ohne dass eine Gesichtshälfte sich verzieht?
A (Arms/Arme) Kann die Person beide Arme nach vorn strecken und die Handflächen nach oben drehen?
S (Speech/Sprache) Kann die Person einen einfachen Satz nachsprechen?
T (Time/Zeit) Wenn alle Symptome auftreten, verlieren Sie keine Zeit. Alarmieren Sie den Notruf!
Was sind die Folgen eines Schlaganfalls?
Je nachdem, welcher Hirnbereich betroffen ist, können verschiedene Beeinträchtigungen auftreten. Manche von ihnen bleiben dauerhaft. Dazu gehören:
- Probleme beim Sprechen
- Sehstörungen
- Einschränkungen der Motorik
- Lähmung von Armen und/oder Beinen
- Probleme beim Gehen
Was ist eine TIA?
Eine TIA (transitorische ischämische Attacke) ist ein sogenannter Mini-Schlaganfall. Auch hier liegt eine Durchblutungsstörung vor. Die Symptome verschwinden allerdings innerhalb von 24 Stunden wieder.
Eine TIA gilt als Vorzeichen eines Schlaganfalls. Die Ursachen und Symptome sind die gleichen. Auch wenn die Beschwerden verschwinden, sollte man dringend einen Arzt aufsuchen.