Kontrolle des Aufbaues der Orthese – Dynamisch
Kontrolle des Aufbaues der Orthese – Dynamisch
Am Beispiel einer AFO mit NEURO SWING Systemknöchelgelenk
Bei der Übergabe der Orthese an den Patienten kontrollieren Sie den Aufbau der Orthese und nehmen gegebenenfalls Anpassungen und Einstellungen vor. Als Beispiel ist folgende Bauweise gewählt worden:
- AFO
- unilateral
- teilflexibles Fußteil
- NEURO SWING Systemknöchelgelenk
In diesem Online-Tutorial gehen wir vor allem auf die dynamische Kontrolle am Patienten ein. Es bezieht sich auf einseitig versorgte Patienten, deren kontralaterale Seite befundfrei ist. Die AFO sollte gemäß unserem Versorgungskonzept, welches in den Online-Tutorials aufgezeigt wird, hergestellt worden sein.
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Vorbereitungen
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Schritt 1/3
Montieren Sie die Federeinheiten (siehe auch Gelenkmontage Systemknöchelgelenke mit plug & go Modularität) entsprechend der Konfigurationsempfehlung.
Schritt 2/3
Überprüfen Sie die Position der Bewegungslimitierungsschraube innerhalb der Aufbaueinstellschraube:
A. Bewegungslimitierungsschraube ist so weit wie möglich herausgedreht → korrekt
B. Bewegungslimitierungsschraube ist nicht so weit wie möglich herausgedreht, wodurch der Federweg begrenzt ist → drehen Sie sie so weit wie möglich herausSchritt 3/3
Beachten Sie die Markierungen, die den Gelenkwinkel anzeigen. Montieren Sie die Federeinheiten so, dass die Anzeige in der Mitte ist, damit der Aufbau dem Gipsmodell entspricht.
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Auf der Werkbank
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Schritt 1/2
Zur Kontrolle des Aufbaues der Orthese auf der Werkbank wird das Lot als Referenz verwendet. Ohne anatomische Bezugspunkte soll das Lot bei einer AFO durch die Mitte des ap-Maßes auf Kniehöhe verlaufen und dabei in das hintere Drittel der vorderen Hälfte der Unterstützungsfläche fallen.
Schritt 2/2
Überprüfen Sie den Aufbau auf der Werkbank unter Berücksichtigung der Schuhsprengung:
A. korrekt
B. zu geringe Tibiavorneigung → ventrale Federeinheit herausdrehen, bis der Aufbau stimmt, dann die dorsale drehen, bis sie wieder Kontakt zum Systemfußbügel hat → erneut prüfen
C. zu große Tibiavorneigung → dorsale Federeinheit herausdrehen und dann die ventrale so weit hineindrehen, bis der Aufbau stimmt; dorsale Federeinheit drehen, bis sie wieder Kontakt zum Systemfußbügel hat → erneut prüfen
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Statisch am Patienten
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Schritt 1/1
Überprüfen Sie den Aufbau der Orthese am Patienten, während sich der Patient nach vorne an die Anlagefläche lehnt:
A. Patient steht sicher (mit oder ohne Hilfsmittel) und das Lot fällt in den grün oder gelb markierten Bereich → korrekt
B. Patient benötigt eine Hilfe zum Stehen, da er nach vorne kippt und das Lot fällt in den rot markierten Bereich →
1. Einstellung und Funktionalität des Hilfsmittels prüfen
2. dorsale Federeinheit etwas herausdrehen und die ventrale hinein; sicherstellen, dass kein Spiel im Systemgelenk ist und erneut ab dem vorherigen Schritt (Auf der Werkbank) prüfen → falls das Lot weiterhin in den rot markierten Bereich fällt: ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen und Aufbau erst einmal so lassen; erneut prüfen
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Dynamisch am Patienten
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Schritt 1/14
Betrachten Sie bei der dynamischen Kontrolle am Patienten immer mehrere Schrittabwicklungen.
Schritt 2/14
Ist der Patient noch unsicher, so können bei Bedarf Hilfsmittel genutzt werden. Achten Sie auf die korrekte Einstellung der Hilfsmittel, damit die dynamische Kontrolle erfolgreich durchgeführt werden kann.
Schritt 3/14
Überprüfen Sie die Gehgeschwindigkeit*:
A. Liegt sie bei ca. 84 m/min (ca. 5 km/h), so liegt eine normale Gehgeschwindigkeit vor und die dynamische Kontrolle kann weiter durchgeführt werden.
B. Liegt sie bei ca. 200 m/min (ca. 12 km/h), so lässt sich nicht nach dieser dynamischen Kontrolle vorgehen. Ursache suchen (ggf. gibt die Orthese keine ausreichende Sicherheit).
C. Liegt sie bei ca. 30 m/min (ca. 1,8 km/h), so können die Gangphasen nach Perry nicht mehr zuverlässig identifiziert werden.
* Angaben zur Gehgeschwindigkeit aus: Götz-Neumann K (2011): Gehen verstehen – Ganganalyse in der Physiotherapie, 3. Auflage. Stuttgart: Thieme, S. 19f.
Hinweis: Sie können auch den Timed Ten-Meter Walk Test (10MWT) nutzen, um die Gehgeschwindigkeit zu dokumentieren. (vgl. Tyler Klenow und Brian Kaluf: Timed Ten-Meter WalkTest (10MWT): Reference Guide. The American Association of Orthotists and Prosthetists, Outcomes Research Committee.)Schritt 4/14
Die Belastungsdauer auf beiden Beinen ist:
A. gleich → weiter mit dem nächsten Schritt
B. ungleich → Ursache am Orthesenaufbau ermitteln und behebenSchritt 5/14
Schritt 6/14
Initial contact → loading response –OSG
Es findet ein initialer Fersenkontakt statt.
Nein → weiter bei Schritt 8
Ja, und
A. es findet eine Plantarflexion statt:
1. ohne Geräusch beim Auftreffen des Fußes auf den Boden → weiter bei Schritt 9
2. mit einem lauten Geräusch (Platschen) beim Auftreffen des Fußes auf den Boden → dorsal eine stärkere Federeinheit einsetzen, um die Plantarflexion zu kontrollieren
B. es findet keine Plantarflexion statt (auch erkennbar durch eine vermehrte Knieflexion) → dorsal eine schwächere Federeinheit einsetzen und erneut prüfen, bis die Situation unter A. 1. erreicht ist; weiter bei Schritt 9Schritt 7/14
Initial contact → mid stance
Vorfußkontakt als initialer Bodenkontakt und ausbleibender Fersenkontakt auch in mid stance.
A. Nein → weiter bei Schritt 6
B. Ja. Dies ist eine aktive Reaktion des Patienten, um sich zu sichern → ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen
1. erfolgreich: weiter bei Schritt 8
2. nicht erfolgreich: weiter bei Schritt 6
3. Unterbauen unter Ferse an der Orthese oder ggf. dem Schuh, bis der initial contact mit der Ferse stattfindetSchritt 8/14
Initial contact → mid stance
A. vollflächiger Fußkontakt oder erster Kontakt mit dem Vorfuß und Fersenkontakt in mid stance
B. Die Fußhebung ist in der Schwungphase nicht ausreichend → dorsal eine stärkere Federeinheit einsetzen
1. erfolgreich: weiter bei Schritt 9
2. nicht erfolgreich: Unterbauen unter Ferse an der Orthese oder ggf. dem Schuh, bis der initial contact mit der Ferse stattfindetSchritt 9/14
Loading response – Knie
A. Knie wird leicht flektiert → korrekt; weiter bei Schritt 11
B. Knie wird stark flektiert und es findet keine/kaum Plantarflexion statt → Patient lässt keine ausreichende Plantarflexion zu; weiter bei Schritt 10
C. Knie wird nicht flektiert (ggf. sogar hyperextendiert) → dorsal eine stärkere Federeinheit einsetzen und erneut prüfenSchritt 10/14
Loading response – Knie
A. Knie wird nicht flektiert (ggf. sogar hyperextendiert). Häufig neigt der Patient den Oberkörper vor, um trotz der Maßnahmen aus Schritt 9 eine Hyperextension vornehmen zu können.
B. dorsale Unterschenkelschale:
1. Unterschenkelschale neu bauen mit ventraler Anlagefläche (ventrale Schale oder geeigneter Deckel)
2. erfolgreich: weiter bei Schritt 11
3. nicht erfolgreich: weiter bei C.2.
C. ventrale Unterschenkelschale:
1. ventrale Anlagefläche (Schale oder Deckel) prüfen. Sie muss eine Lastaufnahme ermöglichen.
a. Anlagefläche ermöglicht eine Lastaufnahme → korrekt; weiter bei C.2.
b. Anlagefläche ermöglicht keine Lastaufnahme → Unterschenkelschale neu bauen mit ventraler Anlagefläche (ventrale Schale oder geeigneter Deckel)
c. erfolgreich: weiter bei Schritt 11
d. nicht erfolgreich: weiter bei C.2.
2. dorsal eine schwächere Federeinheit einsetzenSchritt 11/14
Mid stance – Knie
A. Tibiavorneigung entspricht der bei der statischen Kontrolle des Aufbaues am Patienten → korrekt
B. Tibiavorneigung ist größer als die bei der statischen Kontrolle des Aufbaues am Patienten → ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen. Wenn die stärkste Federstärke nicht ausreicht, ventrale Bewegungslimitierungsschraube hineindrehen.Schritt 12/14
Mid stance → late mid stance – Bodenkontakt
A. Fußkontakt ist weiterhin vollflächig und die kontralaterale Seite befindet sich in mid swing → weiter bei Schritt 13
B. Situation unter A wird übersprungen und die Ferse direkt angehoben → ventral eine schwächere Federeinheit einsetzen; weiter bei Schritt 13Schritt 13/14
Mid stance → late mid stance – OSG
A. Tibiavorneigung vergrößert sich (es findet eine Dorsalextension statt)
1. ohne Anschlaggeräusch → weiter bei Schritt 14
2. mit deutlichem Anschlaggeräusch → ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen. Wenn die stärkste Federstärke nicht ausreicht, ventrale Bewegungslimitierungsschraube hineindrehen und erneut prüfen.
B. Es findet keine Dorsalextension statt (erkennbar an einer Hyperextension).
1. ventrale Federeinheit ist zu schwach und der Patient sichert sich aktiv in der Hyperextension → ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen; ggf. die Bewegungslimitierungsschraube hineindrehen und erneut prüfen
2. ventrale Federeinheit ist zu stark und lässt sich nicht komprimieren, wodurch eine Dorsalextension nicht möglich ist → ventral eine schwächere Federeinheit einsetzen und erneut prüfenSchritt 14/14
Terminal stance
A. Ferse hebt sich deutlich vom Boden ab
1. ohne Anschlaggeräusch → korrekt
2. mit deutlichem Anschlaggeräusch → ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen. Wenn die stärkste Federstärke nicht ausreicht, ventrale Bewegungslimitierungsschraube hineindrehen.
B. Ferse hebt sich nicht vom Boden ab → ventral eine stärkere Federeinheit einsetzen und ggf. ventrale Bewegungslimitierungsschraube hineindrehen
Letzte Aktualisierung: 05.10.2022